Mit »Mephisto« – noch Vielen gut in Erinnerung – hatte die YMCH einen ihrer wohl größten Erfolge. Nicht nur, weil das Publikum begeistert war, viel mehr, weil die Gemeinschaft, die bei diesem Projekt auf so besonders eindrucksvolle Weise entstanden ist, davon begeistert war und gerne weiter machen wollte.
Wer aber mit »Mephisto«, also einer Bearbeitung von Goethes »Faust«, dem wohl bedeutendsten Werk westlicher Literaturgeschichte, an den Start geht, hat es schwer, einen Nachfolgestoff zu finden, der dagegen nicht flach und einfach wirkt.
Die Vorzüge von »Mephisto« waren für ein Musical offenkundig: Eine leichte und glatte Oberfläche bot eine immense gedankliche Tiefe und Hintergründigkeit.
Die Wahl von »Momo« war auch diesem Gedanken verpflichtet: Ein »harmloses« Jugendbuch, mit kaum zu überschätzender philosophischer Tiefe. Eine musicalgeeignete Fassung des Werkes war aber für die YMCH nicht erreichbar und so kam der Entschluss, ein eigenes Musical zu erschaffen. Das Wagnis, den bereits als Arrangeur mehrfach bewährten Tobias Schwab auch um die Komposition selbst zu bitten, wurde mit einem rundum eindrucksvollen Ergebnis belohnt.
Das Manuskript allein macht aber noch keine Show, damit geht die Arbeit vielmehr erst richtig los! Wenn beim Lesen eines Textes unmittelbar und unabdingbar Bilder im Kopf entstehen, wenn Räume in der Phantasie erwachen und sich ganze Welten erschaffen, dann wird aus einem Text eine Geschichte, erzählte Wirklichkeit, die – wenn auch die Geschichte für viele gleich zu sein scheint – individuell und ganz persönlich ist. In einem Film dann, »sieht« das Gelesene oft ganz anders aus und für die eigene Vorstellung irgendwie »unpassend«.
Ein Stück dann auf der Bühne darzustellen bedeutet, die inneren Bilder so zu verwirklichen, dass sie das Wesentliche der Handlung unterstreichen und … natürlich, dass sie realisierbar bleiben.
Amphitheater: Hier haben die meisten gleich ein Bild vor Augen. Auch Fusis Salon oder sogar der Tresorraum der Grauen Herren scheinen wenig Probleme zu bereiten. Aber das Nirgendhaus, die Stundenblumen, all das Phantastische …? Vor allem sollen diese Bilder in Beziehung zu einander stehen und eine Geschichte erzählen.
Jan Blaß ist für seine faszinierenden Rauminstallationen bekannt und so lag der Versuch auf der Hand, ihn für das Projekt »Momo« zu begeistern. Statt einiger Skizzen für mögliche Bühnenbilder, entwarf er dann gleich ein vollständiges Konzept. Die nuancierte Lektüre des Textes hatte für ihn das Stück unmittelbar bildlich entstehen lassen: »Bei dieser Szene kommt Momo von da, die Grauen Herren von dort, …«
Wir waren begeistert und doch ließ sich ein Problem nicht von der Hand weisen: Eine Teilrealisation des komplexen Konzeptes war nicht denkbar. Alles oder nichts! Aufgrund der erfolgreichen und Freude vermittelnden Arbeit bei und mit der YMCH entschied sich der Vorstand dann bald für »Alles!«. Und weil man nun schon einmal so mutig gewesen war, wollte man bei den vielen »erschreckenden« Zahlen, die die Planungsarbeit zu Tage förderte, auch nicht mehr zurückweichen: Über 200 m² Holz, ca. 2300 Schrauben … Aber auch das soll nicht verheimlicht werden: Ohne die Hilfe der Firma Nitz und ihre phantastische Werkshalle, wäre es nicht möglich gewesen! Wenn Viele zusammenarbeiten und das einbringen, was sie können, beginnt das »das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«-Phänomen.
Als nach etlichen »Kilometern« an Sägeschnitten die ersten Konturen sichtbar wurden, wuchs das Vertrauen, dass es eine einzigartige und beeindruckende Bühne werden würde.
Auch nach weit mehr als 70 Stunden Arbeit war es immer noch kurzweilig, interessant und ganz einfach schön! Das liegt an allen Beteiligten, am Vorstand der YMCH einschließlich der ganzen »Truppe«, an der aktiven, ideenreichen und zuvorkommenden Unterstützung durch Franz Nitz sowie an der unkomplizierten, kompetenten und ausdauernden Mitarbeit von Johannes Müller und natürlich an der tollen Idee von Jan Blaß.
Wer aber gedacht hatte, als die Bühne in ihrer ganzen Größe in der Werkshalle aufgebaut war, das »Schlimmste« sei nun geschafft, der irrt. Denn die Elemente sollten zwar nicht im sprichwörtlichen loriotschen »Steingrau« gestrichen werden, aber doch farblich an den Seiten unterschieden sein.
Einige Ensembleteilnehmer sagten ihre Mithilfe zu und man traf sich zum letzten großen Schritt vor der Fertigstellung. Wer bisher der Ansicht war, er könne Gruppendynamik einschätzen, hätte sich hier auf die Probe stellen lassen können: In Minuten war nicht nur das Konzept, das Bausperrholz lasierend zu streichen, so dass noch die Maserung des Holzes erkennbar bleibt, unter einer dicken Farbsoße verschüttet, auch Halle und vor allem die Akteure »erfreuten« sich eines dicken Anstrichs … Dem Spaß an der Sache schien das keinen Abbruch zu tun, ganz im Gegenteil – und auch hier kam Beschleunigung in Gang, nicht die aus dem Kapitel über »Hintergründiges zu Momo«, sondern aus dem gemächlichen Anstreichen entwickelte sich ein dynamisches Spiel, eine Mischung aus »Der Fuchs geht rum« und »Fang mich«, nur der »Schwarze Peter« war nicht dabei, denn wenn, wäre es ein ganz grauer gewesen …
Mit dem Aufbau der Bühne im Kurhaus begann dann die letzte Etappe, an deren Ende Sie, liebe Zuschauer, das Ergebnis dieses langen Weges selbst miterleben können.